Neue Publikation zur Herstellung von Differenz in der Grundschule erschienen!
Neue Publikation zur Herstellung von Differenz in der Grundschule erschienen!
Die Dissertationen in der ersten Förderphase spiegeln das breite Forschungsspektrum der Kindheitsforschung wider und sind thematisch und methodisch in den Forschungszusammenhang der am Kolleg beteiligten WissenschaftlerInnen eingelassen (siehe hierzu den Projektantrag vom September 2000). Interdisziplinär ausgerichtet, finden sich historisch angelegte, sozialpädagogisch sowie soziologisch orientierte Forschungsfragen und Dissertationsthemen.
Zwei der Arbeiten beschäftigen sich mit historischen Fragestellungen, die aber in Fragestellungen und Ergebnissen grundlegend auch in aktuelle Debatten eingreifen und die Forschungslage entscheidend klären. Sven Steinacker hat auf der Basis umfangreichen Akten- und Dokumentenstudiums die Jugendfürsorge und Fürsorgeerziehung, deren Grundlagen, Politiken und Praxen im Rheinland zwischen 1924-1949 (mit einem großformatigen Schwerpunkt auf den Nationalsozialismus) untersucht, seine Ergebnisse bereichern nicht nur die historisch eingegrenzte Diskussion um Erziehungsgrundsätze und Fürsorgekonzepte in der Weimarer Zeit bis in die Nachkriegszeit, sondern fließen unmittelbar in aktuelle Diskussion um Akzeptanz, Sinnhaftigkeit und Perspektiven moderner Kinder- und Jugendhilfemaßnahmen im Bereich der Fremd- und Heimunterbringung – definiert als ordnungspolitische wie pädagogische Maßnahme – in Deutschland heute ein. Diese umfangreiche Arbeit ist fertig gestellt und das Promotionsverfahren eröffnet.
Anke Kalkbrenner untersucht in ihrer Dissertation »Jüdische Kindheit in der DDR«. Im Focus der Untersuchung stehen dabei neben der Analyse gesellschaftlicher Prozesse, die Erforschung und Ermittlung individueller Erziehungsmuster, spezifischer Einstellungen und Identitätsmerkmale einer jüdischen Minderheit innerhalb der totalitären sozialistischen Gesellschaftsordnung. Zu Fragen war, in wieweit Judentum und Kommunismus als konkurrierende Orientierungssysteme fungierten und dieser Konflikt die kindheitseigene Erfahrungswelt prägte. Lässt sich dabei von personenspezifischen Einzelschicksalen oder von einer kollektiven Erfahrung sprechen, die Ausdruck eines gesellschaftlichen Generationenzusammenhangs ist? Angesichts der pädagogischen Debatten um Generationenbeziehungen und -lernen sowie dem punktuellen Erstarken (zumindest quantitativ) jüdischer Gemeinden in Deutschland, sind ihrer abschließenden Ergebnisse mit Spannung zu erwarten. Diese Arbeit steht im Laufe des Jahres vor ihrer Fertigstellung, da sich – aus dem Gegenstandsbereich begründet und infolge vielfältiger grundlegender Archivfunde im In- und Ausland – ein weiterer Forschungsbedarf ergab.
Zwei eher soziologisch – aber mit deutlichen pädagogischen Teilbereichen – gezeichnete Arbeiten, sind die Dissertationen von Gustav Mewes wie die Arbeit von Michael Tunc. Letzterer wurde erst 2005 nachträglich ins Kolleg aufgenommen. Gustav Mewes geht in seiner Arbeit der Frage nach, »welche Vorstellungen und Bilder von Fremdheit und Andersartigkeit bei Kindern existieren und welchen Einfluss diese auf deren Weltsicht und daraus resultierend auf ihr Verhalten haben«. Diese Rahmung lässt so die These formulieren, dass gewaltförmiges Verhalten von Kindern sich auf ein Gefüge fluktuierender Solidaritäten und situativ- pragmatischer Gruppenbildungsmechanismen zurückführen lassen, die wiederum in altersgruppenspezifische Identitätsbildungs- und Selbstverortungsprozesse eingebunden sind. So wird zu prüfen sein, welche Bilder und welches Verständnis von Fremden und Fremdheit bei Kindern existieren bzw. wie und in welcher Konstellation diese entstehen und sich manifestieren. Gustav Mewes ist zwar aus der finanziellen Förderung ausgestiegen, arbeitet aber noch immer an seine Dissertation.
Forschungsgegenstand der Dissertation von Michael Tunc ist das Vater-Kind-Verhältnis als Faktor und Ressource kindlicher Entwicklung sowie seine Wirkung auf subjektive Vaterschaftskonzepte. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen eine Gruppe türkischer Väter und ihre Vaterschaftskonzepte. Gefragt wird danach, inwiefern sich die in subjektiven Vaterschaftskonzepten und die in der Vater-Kind-Beziehung enthaltenen Konstrukte von Kindern und Kindheit als Gradmesser für gelungene Modernisierungsprozesse in Familien verwenden lassen. Die Forschungsfrage betrifft indirekt die so genannte dritte Generation, weil deren Väter, Angehörige der so genannten zweiten Generation, in Bezug auf das beide Generationen verbindende Beziehungsgeflecht hin erforscht werden. Diese Fragestellung bietet die Möglichkeit, Modernisierungsprozesse von Kindheit in Wechselwirkung mit der Modernisierung von Vaterschaft zu analysieren, vor allem mit Blick auf die Überschneidung von ethnischen und geschlechtlichen Differenzen. Die Kernthese ist, dass Väter als wesentliches Element des Aufwachsens ihrer Kinder begriffen werden. Das Dissertationsthema von Michael Tunc bewegt sich in seiner inhaltlichen Zuordnung in klassischen kindheitstheoretischen Fragen familiärer Wandelsprozesse mit ihren Auswirkungen auf Kinder und hier im besonderen mit dem Blick auf Kinder mit Migrationshintergrund und den Konstellationen in ihren Familien. Die Einsichten werden wichtig sein, das Wissen um migrationsbedingte Besonderheiten familiärer Prozesse für Verläufe kindlichen Aufwachsens zu sondieren und für die Kindheitsforschung - im Zusammenwirken mit Erträgen der Migrationsforschung - wissenschaftlich nützlich zu machen. Das Stipendium läuft seit 2005 und ist bisher einmal verlängert worden.
Die Dissertationen von Dorothea Witt, von Matthias Koch sowie von Katja Lieber beschäftigen sich mit Kindheitsbildern in den Wissensressourcen von pädagogischen MitarbeiterInnen, der Medialisierung kindlicher Erfahrungen am Beispiel modernen computergesteuerten Spielzeugs sowie mit dem Leben und Erleben von Kindern als mögliche Leistungssportler. Alle drei Themen sind thematisch eingelassen in die kindheitstheoretischen Debatten um Wandlungsprozesse von Kinderleben und kindlichem Erleben, dem professionellen Umgang (hier von ErzieherInnen und PädagogInnen) mit Kindern sowie der Frage des Medienlernens und dem sich ändernden Spielverhalten und Spielmaterial – grundsätzlich eingelassen in die kindheitstheoretische Positionierung des gesellschaftlichen Status von Kindern als Akteuren in ihren eigenen Lebensverhältnissen und in ihrer Lebensführung.
Matthias Koch verweist in seiner Arbeit auf das Phänomen, dass sich moderne Spielzeuge in zunehmendem Maße an medialen Inhalten orientieren; diese Tendenz wurde anhand des Umgangs mit dem Spielzeugsystem LEGO untersucht. Von der These ausgehend, dass Spielen das eigenaktive, autonome Umgehen der Kinder mit den Gegebenheiten ihrer Umwelt reflektiert, steht die Frage im Mittelpunkt, inwieweit Inhalt, Form und Design der Massenmedien das heutige Kinderleben soweit beeinflusst, dass Kinder gar nicht mehr die Möglichkeit haben als Akteure ihrer eigenen Lebensverhältnisse und Lebensformen zu wirken. Die theoretischen Erkenntnisse wie praktisch ableitbaren Auswirkungen fließen unmittelbar in die fortwährende Diskussion um Mediennutzung und Medienerziehung – gerade vor dem Hintergrund neuer Technologien zwischen Chance und Risiko für Kinder und Kinderleben. Die Dissertation von Matthias Koch steht unmittelbar vor der Beendigung und liegt dem Betreuer in einer ersten Leseversion vor.
Dorothea Witt untersucht in ihrer Dissertation Kindheitsbilder in den Wissensressourcen von pädagogischen MitarbeiterInnen, das Untersuchungsfeld sind Kindergärten unterschiedlicher Träger (kirchlich-konfessionell, kommunal, freie Initiativen). Ausgehend von dem Paradigma der sozialwissenschaftlichen Kindheitsforschung, das Kind als Co- Konstrukteur seiner Lebenswelt darzustellen, wird der Frage nachgegangen, inwiefern diese Definition von Kindheit Eingang in die pädagogische Praxis im Kindergarten gefunden hat. Partizipieren die Erzieherinnen, die in der Regel nicht akademisch ausgebildet sind, an dem wissenschaftlichen Diskurs über das »Kind« als Co- Konstrukteur? Die Frage nach dem Kindheitsbild im Alltagsverständnis und im beruflichen Fachwissen von ErzieherInnen wird vor dem Hintergrund, dass sich Kindheit im Spannungsfeld von Abhängigkeit und Autonomie bewegt, gestellt werden. In der empirischen Erschließung der pädagogischen Praxis unter dieser Fragestellung bezieht sich Dorothea Witt auf die professionstheoretische Diskussion der sozialen Arbeit beziehen. Die dieses Thema kennzeichnende wissenschaftliche und professionstheoretische wie –praktische Diskussion wird durch die Erkenntnisse dieser Arbeit bereichert werden. So lassen erste Desiderate erkennen, das es deutliche Divergenzen zwischen dem professionellen, pädagogischen Anspruch mit Blick auf das Kind als eigenständiges, kompetentes Wesen und dem – im konkreten pädagogischen Umgang – schutzbedürftigen, in erster Linie lernenden, noch unreifen Kind zu unterscheiden gilt. Aufgrund von Schwangerschafts- und Elternzeit verlängert sich die Förderdauer der Stipendiatin bis 2006.
Katja Lieber beforscht in ihrer Arbeit Kinder in Sportleistungszentren, stellt die Frage nach dem Einfluss dieses sportlichen »Sozialisationssettings« und Interaktionsarrangements auf die Lebensentwürfe der ab 10-jährigen Kinder und wird mittels teilnehmender Beobachtung und biographischer Interviews, die bisherige Lebensgeschichte der Kinder zu rekonstruieren sowie individuelle Erfahrungsverarbeitungen zu erschließen versuchen - es geht somit unter anderem um die Analyse von Kindheit und den daraus resultierenden Zukunftsentwürfen dieser Kinder.
Cristiane Sander ist Ende 2005 anstelle von Petra Ziegler in das Kolleg neu aufgenommen worden. Ihr Thema »Praxis der Partizipation in Jugendverbänden – ein Bildungsprozess?« entspricht einem der beiden Forschungsschwerpunkte »Kinderrechte, Kinderpolitik und Partizipation von Kindern« des Kollegs. Vor dem Hintergrund, dass es in der sozialen Arbeit immer mehr zum fachlichen Konsens geworden ist, die Beteiligung von Betroffenen (hier Kinder und Jugendliche) bei der Planung und Realisierung sozialpolitischer Maßnahmen zu fordern und – zumindest auf kommunaler Ebene (u. a. in der Kinder- und Jugendhilfeplanung) – zu realisieren, beschäftigt sich Cristiane Sander hier in einem ersten Schritt mit Partizipationsmöglichkeiten in Jugendverbänden, als eine der traditionellen Kinder- und Jugendvertretungsorgane in Deutschland sowie der Frage nach der Initiierung von Bildungsprozesse bei Jugendlichen. Folgende Forschungsfragen leiten ihre Untersuchung: welche Formen von Partizipationsmöglichkeiten werden für Jugendliche angeboten, welche expliziten pädagogischen Elemente beziehungsweise Strukturen der Partizipation lassen sich identifizieren, die Veränderungen im Bereich des sozialen Bewussteins und des Engagements Jugendlicher erkennen lassen.
Über die durch die Hans-Böckler-Stiftung geförderten Stipendiaten hinaus, ist ein weiterer Doktorand im Kolleg integriert. Carlos Losada Santana – Stipendiat des hochschuleigenen Förderprogramms der Universität Wuppertal – stellt in seiner Dissertation unter anderem mit der Frage, wie Migrantenkinder als kulturelle Akteure, welche Strategien, Konstruktionen und Konstituierungen einer eigenen (Sub-) Kultur entwickeln. Viele der »Ausländerkinder«, die hier geboren sind, unterscheiden sich in ihrem Habitus augenfällig von deutschen Kindern. Diese Wahrnehmung erzeugt eine weitere grundlegende Fragestellung der Untersuchung, nämlich die Frage nach den kulturellen Leistungen in der Erzeugung von Fremdheit und Zugehörigkeit, die bereits Kinder erbringen und die Ausgangsbedingungen der jugendlichen Stilisierungsprozesse sind. Wie stellen Kinder Ethnizität her; das heißt auch, der Prozess des »doing ethnicity« bezieht sich nicht (nur) auf die Reproduktion des kulturellen Backgrounds ihres Herkunftslandes respektive der Familie, sondern auf die Leistungen, die sie als Mitglieder einer »Migranten Ethnie« hervorbringen.